
Wir erleben die Welt zumeist nur flüchtig.
Alles scheint an uns vorbei zu huschen.
Kaum gesehen, schon wieder weg.
Die Welt gleitet an uns vorbei wie ein Strom aus Bildern, Reizen, Entscheidungen.
Wir leben in einer Ära der Beschleunigung, in der das Flüchtige zur Norm geworden ist und das Tiefe, das Langsame, das Durchdrungene kaum noch Raum findet.
Die Oberflächlichkeit ist nicht nur ein Mangel an Tiefe –
sie ist ein Symptom einer Kultur, die das Urteil dem Verstehen vorzieht,
das Tempo dem Innehalten, die Effizienz der Resonanz.
Vielleicht ist das, was fehlt, nicht Information, sondern Aufmerksamkeit,
nicht Wissen, sondern das Verweilen,
nicht das Urteil, sondern das Zulassen.
Wir haben kein „Gelassenen Sehen“ – kein Sehen, das nicht greift, sondern empfängt.
Wir haben kein Denken, das nicht sofort entscheidet, sondern sich öffnet. hinterfragt.
Die Oberflächlichkeit lässt uns urteilen und entscheiden, und nicht das kompakte, umfassende, genaue, detaillierte Wissen.
Vielleicht ist die Gegenbewegung zur Flüchtigkeit das kultivierte Warten, das genaue Hinschauen.
Flüchtigkeit ist ungerecht.
Unsere Entscheidungen sind digital. Ja oder nein.
Kaufe ich oder nicht, der/sie ist Freund oder Feind, sympathisch, gleichgültig oder abweisend.
Der flüchtige Moment entscheidet in einer bestimmten Art und Weise über Sein und nicht Sein.
Es gibt wie bei den Farben zig Zwischentöne, und für diese bleibt keine Zeit.
Aber diese Zeit sollte man sich nehmen, für das Spektrum des Zwischenmenschlichen, das Emotionale, das Unentscheidbare.
Dort liegt das Menschliche, nicht im Flüchtigen, sondern im Dazwischen, im Unklaren, im Noch-nicht-Entschiedenen.
Vielleicht könnte der Versuch einer Entdigitalisierung des Denkens helfen,
auch ein „Zulassen“ statt des „Bewertens“, ein „Verweilen“ statt eines „Wegwischens“.
Ein „Warten“ als Widerstand gegen die Hast.
Einfach sich Zeit lassen.